Notruf aus den Alpen
Hilferuf der alpinen Vereine Österreichs
Von links nach rechts: Günter Abraham (Bundesgeschäftsführer Naturfreunde), Gerald Dunkel-Schwarzenberger (Präsident VAVÖ), Wolfgang Schnabl (Präsident ÖAV) und Michael Platzer (Geschäftsführer ÖTK) präsentieren ihre gemeinsame Petition zur Unterstützung der alpinen Vereine Österreichs.
So ein Schmarrn
Apropos Schmarrn: Schon Kaiser Franz Josef (1830 bis 1916) schätzte die Berge. Jeden Sommer ging er zünftig gekleidet in Lodenjjanker, Lederhosen und Haferlschuhen in die Berge und kehrte in damals noch einfach gehaltene Schutzhütten ein. In so einer Kasn hat ihm ein Senner einst einen „Kasn-Schmarrn“ mit Rosinen vorgesetzt. Die kaiserliche Hoheit zeigte sich davon dermaßen angetan, dass der Schmarrn künftig unter dem Namen „Kaiserschmarrn“ firmierte. Zurück zum Schmarrn.
Eine Studie, die das Wissenschaftsministerium 2012 in Auftrag gegeben hat, befasst sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus. Darin wird prognostiziert, dass die klimatischen Veränderungen nicht mehr verhindert werden können. Eine systematische Auseinandersetzung mit den Folgen sollte das Gebot der Stunde sein. Bereits vor 12 Jahren waren die Konsequenzen absehbar. 2013 haben die alpinen Vereine in einer Petition auf die negativen Auswirkungen aufmerksam gemacht. Damals wurden die zuvor gekürzten Fördermittel angepasst, blieben aber seither unverändert.
Prognostizierte Veränderungen im Erlebnisraum Berg
Der Klimawandel führt zu einer Verschiebung der Vegetationszonen, zu einer Veränderung der Artenzusammensetzung und eine fortschreitende Verwaldung in Almregionen. Die Gletscher ziehen sich zurück, übrig bleiben Schuttareale. Der Permafrost, der die Gesteinsmassen wie Klebstoff zusammen hält, taut auf. Erhöhte Steinschlag-/Felssturzgefahr sind die Folge. Das wirkt sich besonders auf alpine Wanderwege und Klettersteige aus. Starkniederschläge können vermehrt zu Hochwasser, Murenabgängen oder gefährlichen Hangbewegungen führen. Hohe Sommertemperaturen führen zu einer Hitzebelastung in den Städten. Eine Flucht in höher gelegene alpine Bereiche mit angenehm kühleren Klima könnte sich positiv auf den Alpintourismus auswirken.
Österreichs Identität von alpinen Vereinen geschaffen
Zwei Drittel der Ostalpen entfällt auf Österreich. Seinerzeit gab es in alpinen Gebieten keine Infrastruktur. Auch der Begriff »Fremdenverkehr« war unbekannt. Der ÖTK gilt als Pionier des österreichischen Fremdenverkehrs. Mitglieder des ÖTK errichteten die höchstgelegenen Schutzhütten auf Rax, Schneeberg, Hochschwab oder am Fuße des Großvenedigers auf 3.000 m. Der ÖTK war der erste alpine Verein in Österreich, der Hütten als Gaststätten (und nicht nur als Notunterkünfte oder Selbstversorgerhütten) zu führen unternahm. 1872 setzte der ÖTK erste Wegmarkierungen im Wienerwald. Von Wien ausgehend begann die Erschließung des östlichen Teils der Alpen bis nach Slowenien und hinauf ins Wettersteingebirge.
Das 22-fache des Autobahn- und Schnellstraßennetzes
Die Wanderwege sind die Visitenkarte der heimischen Bergwelt. 50.000 km Wege und Steige errichteten die Mitglieder der alpinen Vereine in ihrer Freizeit. Das entspricht dem 22-fachen des Autobahn- und Schnellstraßennetzes der ASFINAG. Seit 155 Jahren werden die Wege von sog. Wegewarten ehrenamtlich, also unentgeltlich erhalten und instandgesetzt: sie malen Markierungen, setzen neue Wegweiser, überprüfen Geländer, Brücken und Stufen auf ihre Festigkeit, beseitigen Geröll und umgefallene Bäume, schneiden Wege aus und müssen immer öfters Vandalismusschäden reaparieren. Neben dem Instandhaltungsaufwand steigt auch das Risiko für die Haftung der alpinen Vereine, die als Wegehalter für die Sicherheit einzustehen haben.
Österreichs Kronjuwelen drohen wegzubrökeln
Die Hälfte der hochgelegenen Schutzhütten und 50.000 km Wanderwege befinden sich in einer akuten Notlage. Sie drohen wegen Überalterung und aufgrund zunehmender Extremwetterereignisse infolge der Klimakrise im wahrsten Sinne des Weg wegzubröckeln. Drei bis vier Hütten pro Jahr gehen verloren. Weil auch die Instandsetzung der Wege und Steige mittlerweile sechsstellige Summen verschlingt, müssen diese nach und nach aufgelassen werden. Menschen in Österreich fühlen sich mit der Kultur und den Naturräumen dieses Landes eng verbunden. Gehen Hütten und Wege als Kultur-, Sport- und Erholungsraum verloren, verliert Österreich sein Kronjuwelen und damit ein großes Stück seiner Identität.
Sparsam, nachhaltig, effizient und klimafreundlich
Die alpinen Stützpunkte sind extremsten Wetterbedingungen ausgesetzt: Windgeschwindigkeiten von 250 km/h, meterhoher Schnee und Eisdruck, Starkregen und schädliche UV-Strahlungen und zunehmende Hitze setzen den Bauten enorm zu. Knapp 60 % der Schutzhütten des ÖTK sind über 100 Jahre alt. Nicht nur die Bauwerke haben ihr technisches Lebensende erreicht, auch die Betriebsanlagen entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik. Sie müssen ersetzt werden. Die alpinen Hütten nehmen eine Vorreiterrolle im ressourcenschonenden Bewirtschaften ein. Sie funktionieren autark, das schon über 100 Jahre lang. Die behutsame und verantwortungsvolle Gestaltung des Lebensraums sowie der Schutz von natürlichen Ressourcen prägen Österreichs alpine Vereine.
Wertschöpfung aus Sommertourismus beträgt 16,6 Milliarden
Österreich steht bei der heimischen bevölkerung und bei Gästen hoch im Kurs, immerhin planen 38 % der Österreicher und 48 % der Gäste einen Urlaub in den Bergen; 68 % gehen Wandern; die wichtigsten Entscheidungsgründe sind die Berge (46 %), das Angebot an Wanderwegen (34 %), Landschaft/Natur (33 %) sowie gute Luft/Klima (21 %). Die resultierenden Wertschöpfungseffekte beliefen sich im Jahr 2023 auf 29,9 Mrd Euro, davon 16,6 Mrd. auf den Sommer*.
Tourismus profitiert, stellt nur 0,02 % an Fördermittel bereit
Die Bewirtschaftungszeiten der Hütten sind kurz, die Bedingungen erschwert. Die Stützpunkte in hochalpinen Lagen können nur von Juni bis September bewirtschaftet werden. Nahezu keine Hütte kann die Instandhaltungskosten aus dem laufenden Hüttenbetrieb finanzieren. Mit den Einnahmen aus der Verpachtung der Schutzhütten und den Mitgliedsbeiträgen der alpinen Vereine können Behördenauflagen und kleinere Instandsetzungen realisiert werden. Diese werden zur Zeit mit rund 2,7 Mio. aus dem Tourismusresort gefördert, das entspricht 0,02 % der direkten und indirekten Wertschöpfungseffekte aus dem Sommertourismus. Größere Sanierungs- und Ersatzbauprojekte haben sich aufgrund dieser begrenzten und wertreduzierten Mittel über die Jahre hinweg angestaut.
95 Mio. EUR werden benötigt, um Hütte und Wege zu retten
Nur ein finanzielles Rettungspaket in der Höhe von 95 Mio. Euro kann den alpinen Vereinen Österreichs die Bedingungen schaffen, um Schutzhütten und Wanderwege für alle Erholungssuchenden am Berg weiterhin zu bewahren. Mit diesem dringenden Appell wendet sich der Verband der alpinen Vereine Österreichs gemeinsam mit seinen drei größten Mitgliedsvereinen, dem Österreichischen Alpenverein, den Naturfreunden Österreich und dem Österreichischen Touristenklub, an die Öffentlichkeit und die Bundesregierung. Die Forderung entspricht lediglich 0,57 % der direkten und indirekten Wertschöpfungseffekte aus dem Tourismus.
Deine Unterschrift rettet Hütten und Wege
Michael Platzer, Geschäftsführer des Österreichischen Touristenklubs, findet in Anbetracht der prekären Sachlage klare Worte: "Mit 300.000 EUR an Fördermittel für den Österreichischen Touristenklub können wir keinen Ersatzbau einer Schutzhütte realisieren, wenn dieser in der Regel 3 bis 4 Millionen Euro kostet. Wird die Schutzhütte aufgegeben, werden auch die Wege nicht mehr begangen und damit stlellt sich unweigerlich die Frage, wie Österreichs Wirtschaft ohne Sommertourismus überleben wird. Der macht immerhin 55,5 % der Tourismusumsätze aus."
Die alpinen Vereine rufen die Öffentlichkeit mit Nachdruck auf, ihre Petition zu unterstützen und damit gemeinsam ein Zeichen für die Rettung von Hütten und Wegen zu setzen. Die Petition kannst du hier online unterschreiben:
► Jetzt Petition unterschreiben: https://notruf-aus-den-alpen.at/
* Quelle: WIFO, Stand: Jänner 2024