Sommerzeit
Sommerzeit in Österreich – 100 Jahre ist's her
Rund ein Viertel der Weltbevölkerung muss zweimal im Jahr die Uhr um eine Stunde verstellen. Die rein gesellschaftliche Übereinkunft der Zeitveränderung spiegelt aber weder eine biologische noch eine umweltbedingte Notwendigkeit wider.
Österreich-Ungarn waren die ersten Länder, die flächendeckende Zeitumstellungen am 1.5.1916 einführten – also vor gut 100 Jahren. Neben mehr Tageslicht wurde der wirtschaftliche Vorteil herausgestrichen: allein bei der Beleuchtung würden in ganz Österreich-Ungarn 56 Millionen Kronen gespart werden.
Die wahren Sommerzeit-Pioniere fanden sich jedoch jenseits des Atlantiks: Die Stadt Port Arthur (heute Thunder Bay) in der kanadischen Provinz Ontario drehte bereits 1908 erstmals an der Uhr.
„Die Sonne als Zeitmesser hat die Geltung verloren, es herrscht die Verordnung.“ (ÖVZ 23.4.1916)
Sommerzeit während der Weltkriege
Im ersten Weltkrieg (1914 - 1918) versuchte man mit allen Mitteln Energie zu sparen, deswegen wurde die sog. "Sommerzeit" eingeführt. Nach Kriegsende wurde sie wieder abgeschafft: in Ungarn 1919, in Österreich ein Jahr später.
Im Kriegsjahr 1940 führten die Nationalsozialisten die Sommerzeit wieder ein. Diese Regelung galt nach dem “Anschluss”, dem Einmarsch deutscher Truppen am 12. März 1938, auch für Österreich. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, im Jahr 1948, wurde die Zeitumstellung abermals wieder eingestellt.
Sommerzeit – Zeichen einer Kriese
Bereits 1977 hatten viele europäische Länder die Zeitumstellung wieder eingeführt – eine energiepolitische Reaktion auf die Ölkrise von 1973. Österreich folgte dem Vorstoß erst 1979.
Seit 1996 gilt für Österreich und alle anderen Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraums (inklusive Schweiz, exklusive Island) eine einheitliche Regelung zur Zeitumstellung. Die Uhren werden jedes Jahr am letzten Sonntag im März um 02.00 Uhr eine Stunde vorgestellt und am letzten Sonntag im Oktober um 03.00 Uhr eine Stunde zurückgestellt (Ortszeit Österreich).
Zwei Studien belegen – Zeitumstellung birgt Gesundheitsrisiken
Normalerweise passt sich die innere Uhr mit Hilfe des Tageslichts an den 24-Stunden-Rhythmus der Umwelt an. Dieses sog. Entrainment ist außerordentlich exakt. Besonders wichtig ist dabei die Dämmerung, also der Wechsel von Tag und Nacht. Unser Schlafverhalten passt sich sogar dem zeitlichen Fortgang der Dämmerung von Osten nach Westen innerhalb einer Zeitzone an. Diese minutiöse Anpassung wird jedoch durch die Zeitumstellung empfindlich gestört.
Wenn die Uhren umgestellt werden, muss sich auch unsere innere Uhr an den neuen Rhythmus gewöhnen. Der Wechsel zwischen Normal- und Sommerzeit wirkt wie ein Mini-Jetlag, der unseren Biorhythmus gehörig durcheinanderbringen und zentrale organische Funktionen wie Blutdruck und Körpertemperatur beeinflussen kann. Besonders Kinder und Ältere Menschen leiden unter den Folgen.
Auch im Straßenverkehr sollte man zu Beginn und Ende der Sommerzeit besonders aufpassen: Die Statistik verzeichnet dann besonders viele Verkehrsunfälle.
Ein Forscherteam um Professor Till Roenneberg an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München konnte jetzt zeigen, dass Zeitumstellungen drastischere Auswirkungen haben als bislang vermutet. „Das Argument, bei der Zeitumstellung handle es sich ‚nur’ um eine Stunde, trügt“, so Roenneberg. „Wir waren selbst überrascht, wie stark die Effekte sind. Es ist durchaus denkbar, dass die Zeitumstellung langfristig weit größere Auswirkungen hat als bisher geglaubt.“
Weil die abrupte Veränderung der Uhrzeit nicht den tatsächlichen Zeiten der Dämmerung entspricht, hat die „kleine“ Stunde der Zeitumstellung weitreichende Konsequenzen: „Die Auswirkungen der Sommerzeit auf die innere Uhr kann man in eine geografische Veränderung übersetzen“, so Roenneberg. „Dies bedeutet, dass die gesamte Bevölkerung Deutschlands im Frühjahr theoretisch zwangsweise nach Marokko transportiert wird und im Herbst wieder zurück ohne Zeitzone und Klima zurückzulassen – mit all den damit verbundenen Anpassungsproblemen.“
Ansprechpartner:
Professor Till Roenneberg
Zentrum für Chronobiologie, Institut für Medizinische Psychologie der LMU
http://www.imp-muenchen.de/?chronobiology
Eselsbrücke
Im März stellen wir die Gartenmöbel VOR die Tür, im Oktober wieder ZURÜCK.
Winterzeit ist Normalzeit
Wenn wir von Sommerzeit sprechen, ist oft von der Winterzeit die Rede. Es gibt aber keine "Winterzeit". Die offizielle Bezeichnung lautet "Normalzeit", also jene Zeit, in der unsere Uhren normal laufen. Die Sommerzeit ist sozusagen eine Abweichung von der eigentlich geltenden Zeit.